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Kai Grehn und Carsten Nicolai MESSAGES FOR 2099

Sounds: alva noto (a.k.a. Carsten Nicolai)
Mischung im LoFi-Studio: Z.A.P.
Regie- und Produktionsassistenz: Ronald Klein
Länge: 77 min
Dramaturgie: Manfred Hess
Idee und Regie: Kai Grehn
Eine Produktion des Hessischen Rundfunks
mit Deutschlandfunk 2007
Acetat-Platten-Edition für die Deutsche Nationalbibliothek
 
Es wirken mit (in alpabethischer Reihenfolge): Hermann Balters, René Beder, Michaël Borremans, Jule Böwe, Mathias Bröckers, Eugen Drewermann, Adolf Endler, Wolfgang Engler, Mathias Greffrath, Durs Grünbein in Zusammenarbeit mit Ekkehard Klemm und dem Kinderchor der Dresdner Singakedemie, Albert Hofmann, Johannes Jansen, Imre Kertész, Tetsuo Kogawa, Oliver Kray, Daniel Kulla, Oliver Ligneth-Dahm, Leonard Little Finger, Christoph Mayer, Anna Maylian, Friedericke Mayröcker, Reinhold Messner, Michael Moynihan, Phil Niblock, Opiate, Arvo Pärt, Berliner Passanten, Dan Pelleg, Hans-Jörg Rheinberger, Pipilotti Rist, Otto E. Rössler, Ryuichi Sakamoto, Michael Schindhelm, Berliner Schulkinder, Torsten Schulz, Tim Staffel, George Tabori, Jenny de la Torre, Jakob von Uexkull, Hetty E. Verolme, Wim Wenders, Robert Anton Wilson, Frank Wilczek, Uljana Wolf, Juli Zeh

  • Öffentliche Uraufführung in der Deutschen Nationalbibliothek (Fotostrecke)
  • Treasure of Lima (A Buried Exhibition)
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    „Messages for 2099“ ist eine Sammlung von Botschaften an die Menschen im Jahr 2099. Zwei Jahre lang haben Kai Grehn und Carsten Nicolai Botschaften aufgezeichnet, um eine Auswahl derselben als akustische „Flaschenpost“ ans Ende des 21. Jahrhunderts zu senden. Wenn sie geöffnet wird, sind die beiden Künstler aller Wahrscheinlichkeit nach längst nicht mehr am Leben ebenso wenig wie der Großteil der Zeitgenossen, die jetzt ihre Botschaft in die Zukunft schicken.
    Die Zukunft ist nichts Jenseitiges, außer Reichweite und außerhalb unseres Vorstellungsvermögens. Die Zukunft ist hier, heute – genau genommen direkt hinter uns. Eine Tradition bei den Ureinwohnern Nordamerikas besagt, daß bei allen individuellen wie kollektiven Entscheidungen die Verantwortung für die folgenden sieben Generationen mit übernommen werden muß. Auch wir sind eine siebente Generation und die von uns getroffenen oder nicht getroffenen Entscheidungen werden das Leben auf dieser Erde beeinflussen.
    „Messages for 2099“ wurde auf Acetat-Platten geschnitten und am 10.02.2007 in der Deutschen Nationalbibliothek Frankfurt/M öffentlich aufgeführt. Diese Aufführung wurde vom Hessischen Rundfunk live im Radio urgesendet . Im Anschluß an die Ursendung wurden die Acetat-Platten in einer versiegelten Archivierungsbox der Deutschen Nationalbibliothek übergeben – mit der Vorgabe, im Jahr 2099 an dieser Stelle wieder zur Aufführung gebracht zu werden.
    Sieben weitere Archivierungsboxen werden zudem weltweit in die Sammlung anderer Bibliotheken und Museen aufgenommen, um das Stück auch dort im Jahr 2099 zur Aufführung zu bringen. Im Radio durfte „Messages for 2099“ bis zum 01.01.2009 ausgestrahlt werden und bleibt nun ebenfalls in den Rundfunkarchiven bis zum Jahr 2099 unter Verschluß.
     

    Hoffentlich Wale

    „Die Vergangenheit klingt heutig. Was seinen Grund hat: Sie ist Heute. Der ausgebildete Theaterregisseur Kai Grehn und der bekannte Künstler Carsten Nicolai – beide in den sechziger Jahren in der DDR geboren – haben für „Messages for 2099“ Audiobotschaften von Politikern, Künstlern, Passanten gesammelt, gerichtet an die Generationen einer 90 Jahre entfernten Zukunft. Wim Wenders etwa übermittelt die Hoffnung, dass dann „der große Graben zwischen den reichen und den armen Nationen überbrückt sein wird“. Ein anderer Zeitgenosse entschuldigt sich dafür, „dass wir so abgefuckt sind. Aber ich bin fast sicher, dass Ihr noch mehr abfuckt als wir“. Und ein Kind wünscht sich, dass es noch Wale gibt.
    Das Versprechen, es handle sich um Post, die in die Zukunft geschickt wird, ist dabei nicht nur Behauptung: „Messages for 2099″, produziert von HR und Deutschlandfunk, darf nach 2008 tatsächlich bis 2099 nicht mehr aufgeführt werden. Auch das Archiv der Deutschen Nationalbibliothek in Frankfurt, wo die Sendung 2007 live aufgezeichnet wurde, sollen die Botschaften bis 2099 nicht verlassen. Das ist als Konzept faszinierend, weil es, wie ein guter Science-Fiction-Film, eine Abstraktionsleistung verlangt; plausible Visionen einfordert.
    Wie bei jeder Flaschenpost besteht aber auch hier die Möglichkeit, dass sie ihr Ziel nicht erreicht; und sei es nur wegen einer popeligen Schlampigkeit – in 90 Jahren kann schließlich viel passieren. Sollte es so kommen, hätte die Sendung dennoch außergewöhnlich viel über das frühe 21. Jahrhundert verraten – über Kulturpessimisten, Träumer und die Grenzen unseres Denkens. Wem? In diesem Fall eben einfach nur: uns.“

    (Klaus Raab, Frankfurter Rundschau, 02.12.2008)

    www.alvanoto.de